Stadttheater Giessen
    Germán Villar brilliert in Placido Domingos Fußstapfen

    Germán Villar brilliert in Placido Domingos Fußstapfen


    Konzertante Aufführung der Menotti-Oper „Goya“ ein Glanzstück für Heldentenor

     Beliebt war Gian Carlo Menotti zu Lebzeiten nicht überall. Gespalten war die musikalische Welt über den italienischen Bonvivant, der Publikumserfolge feierte, an den großen Bühnen inszenierte und Teil der High Society war. Maria Callas schüttete ihm ihr Herz aus, als ihre Liebesaffäre mit dem griechischen Milliardär Aristoteles Onassis zu Ende ging.

    Doch neben dem Publikum, den Schönen und den Reichen, standen Kritiker und Komponisten, die ihn für seinen spätromantischen Tonsatz auf schärfste kritisierten, ihm rückwärtige Effekthascherei und Schwachheit unterstellten. Menotti war ein glühender Liebhaber der Oper mit all ihren Emotionen, dramatischen Belcanto-Arien und Leidenschaften. Es ist kein Zufall, dass ihn der Startenor Placido Domingo einst bat, das Leben des Malers Francisco de Goya für eine Oper aufzubereiten, das Libretto zu schreiben und den Tenor deutlich in den Mittelpunkt zu rücken.

    Ein Fest für seine Stimme sollte es werden, ein Werk zum Brillieren. Bei der letzten Premiere der Spielzeit am Gießener Stadttheater oblag es Germán Villar zu zeigen, ob er in die übergroßen Fußstapfen Domingos schlüpfen könne. Schon hier sei gesagt: Es gelang ihm ansprechend, trotz wenig überzeugender Werkgrundlage und überraschend dünnem Libretto.

     Fiktion und Biografie vermischen sich in der Oper „Goya“, die in der konzertanten Aufführung in Gießen Deutschlandpremiere feierte. Im Mittelpunkt steht ein Konflikt, der opernwirksamer kaum sein könnte: Während Goyas einerseits opportunistischer Künstler am spanischen Königshof ist, an dem er in machtvolle Ränkespiele zwischen Königspaar, Minister und der geheimnisvoll starken Herzogin von Alba gerät, ist er dieser heillos verfallen. Seine unbändige Liebe zu ihr lässt ihn an den Rand seiner Existenz geraten.

     Drei Akte lang entspinnt sich dieses Spiel, das aufgrund der konzertanten Aufführung die teilweise großen gedanklichen und emotionalen Sprünge im Libretto zeigte. Alles wurde auf Goya hinkomponiert, unzählige Tenorarien und ein dritter Akt, in dem für eine Dreiviertelstunde fast nur Villar singt, den Heldentenor auspacken, uneingeschränkt brillieren und tenoralen Glanz verbreiten darf. Meisterlich bedient sich Menotti der Belcanto-Techniken mit viel Kolorit und lässt im großen romantischen Orchester Ravel und Janácek anklingen. Klar strukturiert geht das Orchester sofort in vertikale Passagen über, wenn das breite Fundament für den Tenor gelegt wird. Immer wieder geht es stringent auf einen der Zieltöne zu, die Villar sekundenlang strahlend-kraftvoll präsentiert.

     Doch Menottis Komposition zeigt genau hier ihre Schwachstelle. Allzu einfach, musikalisch nach dem Affekt heischend ist das. Das Schwelgen in den Emotionen ist zu seicht, um kompositorisch aufzufallen. Nur an wenigen Stellen zeigt Menotti, dass er sich nicht auf Bekanntem ausruht, sondern das Experiment sucht. Bei derart viel Affekt hätte auch das Philharmonische Orchester beim letzten Premieren-Dirigat des scheidenden Generalmusikdirektors Carlos Spierer anders spielen sollen. Sehnsüchtig wartete man darauf, dass die Bläser ins Fortissimo gehen und richtig zugreifen beim spätromantischen Weltschmerz.

    Doch es blieb gesittet und brav, souverän, aber nicht begeisternd. Ein sängerischer Glanzpart ist Menottis „Goya“ zweifellos, wie auch Giuseppina Piunti als Herzogin von Alba und Carla Maffioletti als Königin eindrucksvoll unter Beweis stellten. Christopher Pramstaller, Gießener Anzeiger, 20.06.2011